Eine Krise allein reicht (nicht) immer aus: Verhaltensänderungen im Vertrieb

Kurz nach Veröffentlichung meines Blogs Vertrieb allein zuhause riefen die ersten Unternehmer an: „Es klingt alles plausibel, aber wie bringen wir die Mitarbeiter im Vertrieb dazu, ihr Verhalten zu ändern?“ Anscheinend reicht eine Krise nicht immer aus, dass Menschen von sich aus ein lang gelebtes Verhalten abstellen. Es überwiegt die Hoffnung, dass alles wieder „normal“ – so, wie vor der Krise – wird.

Außendienstmitarbeiter leben von persönlichen Kontakten zu Kunden – insbesondere im Produktgeschäft mit Besuchstourenverkauf. In der Corona-Krise ist ein regelmäßiger Kundenkontakt nicht mehr möglich. Die Option „Video- oder Webkonferenzen“ wird mit dem Argument „Meine Kunden wollen das nicht“ obsolet. Wollen die Kunden das nicht oder wollen/können nur die Mitarbeiter ihr Verhalten nicht ändern? Wie lassen sich Vertriebsmitarbeiter zu Veränderungen motivieren? Nachfolgend gebe ich Ihnen sechs Impulse, wie Sie Verhaltensänderungen im Vertrieb unterstützen können.

1. Ich sehe was, was du nicht siehst – Dringlichkeit erzeugen und nachvollziehbar darstellen

2. Problemkonsens vor Lösungskonsens – Emotionale Akzeptanz auf allen Ebenen 

3. Zielbilder und Ziele entwickeln – bereichsübergreifend Orientierung geben 

4. Wer hat welchen Nutzen? – Win-win-Situation erzielen 

5. Vorgehen planen und konkretisieren – Projektteam richtig auswählen 

6. Konsequente Umsetzung – Agilität mit Konsequenz auch auf Führungsebene

 

1. Ich sehe was, das du nicht siehst – Dringlichkeit erzeugen und nachvollziehbar darstellen 

Unternehmer haben oft ein Gespür für notwendige Veränderungen. Ihr Bauchgefühl wird durch Zahlen/Daten/Fakten untermauert. Sie sehen die Notwendigkeit von Veränderungen vor ihren Mitarbeitern und haben das Gefühl, schnell handeln zu müssen. Gleichzeitig wächst Unverständnis, wenn die Mitarbeiter nicht denselben Blick haben. Wenn Ihre Mitarbeiter das könnten, wären sie selbst Unternehmer. Wichtig, die Dringlichkeit transparent machen, eine Dringlichkeit erzeugen. Das Argument der Vertriebsmitarbeiter auf kein anderes Medium zu wechseln, ist einfach: „Unsere Kunden wollen das nicht“. Dringlichkeit erzeugen können beispielsweise Fakten zu Unternehmens-/Vertriebsergebnissen – insbesondere auf Mitarbeiterebene. Über die Durchführung einer Kundenbefragung hinsichtlich Nutzung von digitalen Tools  können Sie die Mitarbeiter direkt mit Kundenstimmen konfrontieren. Über eine neutrale Bewertung ihrer Vertriebsaktivitäten durch einen externen Anbieter kann im Wettbewerbsvergleich den Vertriebsmitarbeitern ein Spiegel vorgehalten werden. Die Herausforderung vieler Unternehmer: die Einsicht, dass etwas, was aus eigener Sicht selbstverständlich erscheint, aufbereiten und darstellen zu müssen.

2. Problemkonsens vor Lösungskonsens – emotionale Akzeptanz auf allen Ebenen 

Sehr häufig passiert es, dass Unternehmer/Vertriebsverantwortliche mit mir direkt in Lösungen denken möchten. Der operative Fokus steht in vielen mittelständischen Unternehmen im Vordergrund und der Drang, sofort zu handeln. Auf meine Frage „Welches konkrete Problem liegt vor und wen betrifft es?“ erhalte ich nur verzögert oder gar keine Antwort. Ist es für die Vertriebsmitarbeiter ein Problem, dass der Kundenkontakt nicht (persönlich) möglich ist? Ja, wenn die Mitarbeiter einen variablen Anteil erhalten und ihre persönlichen Ziele durch die neue Situation nicht erreichen können. Wenn sie keine persönlichen Ziele bekommen und somit keine Einbußen erleiden – eher weniger. Dann ist es ein Problem des Unternehmers. Problemkonsens startet auf der Führungsebene. Alle betroffenen Führungskräfte müssen die Problemstellung erfasst und emotional verarbeitet haben. Ein geschlossenes Ja, ich will Veränderungen durchführen auf der Führungsebene ist die Basis für „Ja, ich will Veränderungen durchführen“ auf der Mitarbeiterebene. Die Führungskräfte sind die Multiplikatoren für Veränderungen. Erachtet beispielsweise ein Regionalleiter Videokonferenzen als nicht hilfreich, wird er dieses neue Vorgehen nicht authentisch gegenüber seinen Mitarbeitern vertreten (können). Nichts verändert sich.

3. Zielbilder und Ziele entwickeln – bereichsübergreifend Orientierung geben

Sind Dringlichkeit und Problemkonsens auf Führungsebene erzeugt, ist ein wesentlicher Meilenstein erreicht. Jetzt sofort in den operativen Modus umzuschalten, wäre verfrüht. Wenn Menschen Gewohnheiten verändern sollen, stellt sich immer die Frage „Wofür machen wir das?“ Das Zielbild als „Wir nutzen jetzt Videokonferenzen anstatt zum Kunden zu fahren“ ist kein wirkliches Ziel, sondern ein Schritt, etwas Größeres zu erreichen, etwa die Wettbewerbsfähigkeit (Kosten senken) zu stärken, die Kundennähe  zu verbessern. Ein unternehmerisches Ziel, zu dem jeder Vertriebsmitarbeiter seinen Beitrag leistet und auch für sich erkennen muss/soll, dass er/sie es tut. Zielbilder sollten emotional gestaltet und kommuniziert werden – sie sollen quasi „bewegen“. Damit die Richtung beibehalten werden kann, braucht es Ziele auf Dreijahres- und Jahressicht – Leitplanken für das Unternehmen und für die betroffenen Mitarbeiter. Eine Aufgabe für den Unternehmer und die Führungsebene. Auch wenn es auf den ersten Blick nur einen Bereich zu betreffen scheint, haben Veränderungen oft Einfluss auf andere. Im Fokus steht die Kommunikation per Video zwischen Außendienst und Kunden. Jedoch kann der Kunde auch den Wunsch äußern, zukünftig mit anderen Ansprechpartnern des Anbieters ebenfalls auf diese Weise zu kommunizieren. Warum nicht die C-Kunden nur noch vom Innendienst – persönlich, face-to-face via Videokonferenzen betreuen lassen? Schon verändert sich die Vertriebsorganisation  im Ganzen.

4. Wer hat welchen Nutzen? Win-win-Situation erzielen

Mittelständische Unternehmen sind geprägt durch hohe Mitarbeiterorientierung. So sichern sie sich Fachkräfte, schaffen es Mitarbeiter zu binden und diese zu motivieren. Jedoch besteht in dieser Situation die Gefahr eines Ungleichgewichtes. Nicht selten beschäftigen Familienunternehmen erfahrene Außendienstmitarbeiter, die durch ihre persönliche Beziehung zum Kunden deren Bindung zum Unternehmen aufgebaut und einen Beitrag zur Markenbildung und Erfolg geleistet haben. Werden Veränderungen notwendig, kann diese hohe Mitarbeiterorientierung in Kombination mit der Dankbarkeit für die „Verdienste“ der Mitarbeiter gerade im Außendienst zu einer Falle werden. Diese Mitarbeiter waren langjährig in ihrem Vorgehen erfolgreich und ihre Verhaltensweisen sind tief verankert. Veränderungen zu initiieren kann zu einem Kraftakt werden. Teilweise schätzen die Unternehmen das Risiko, dass die erfolgreichen Außendienstmitarbeiter das Unternehmen verlassen könnten, als sehr hoch ein. Es wird nichts verändert, à la „Wir sitzen es aus, bis diese Mitarbeiter das Unternehmen altersbedingt verlassen!“. Der Nutzen für das Unternehmen kann sehr gering sein, der Nutzen für die Außendienstmitarbeiter sehr hoch. Ziel sollte es sein, eine Win-win-Nutzensituation zu erzielen. Es muss der persönliche Nutzen der Veränderung für jeden Mitarbeiter herausgearbeitet werden. Persönliche Kontakte vor Ort zu verlieren, heißt Freiheiten zu verlieren; mit neuen, ungewohnten Tools zu arbeiten, heißt raus aus der Komfortzone. Das ließe sich kompensieren durch das Angebot an die Vertriebsmitarbeiter im Homeoffice zu arbeiten, ihre Kompetenzen über die Nutzung digitaler Tools via Schulungen zu erhöhen, die Fähigkeit, ihre Ziele einfacher erreichen zu können; bei den Kunden besser angesehen werden, da sie einen höheren Mehrwert bieten als der Wettbewerber. 

5. Vorgehen planen und konkretisieren – Projetteam richtig auswählen

Sind Zielbilder und Ziele sowie der Nutzen fixiert und kommuniziert, kann das Konzept erarbeitet werden, in dem beschrieben wird, was zur Zielerreichung getan werden kann. Auf Basis des Konzepts können Budgets abgeleitet werden, die von der Unternehmensführung freigegeben werden müssen, z.B. für die Anschaffung eines unternehmensübergreifenden Tools für Videokonferenzen, Kameras, Headsets und vor allem für die Schulung der Mitarbeiter sowie an das digitale Medium angepasste Unterlagen. In der Projektplanung werden Methoden, Werkzeuge, externe Unterstützung, Reihenfolgen, Zeiten, Strukturen und Reporting festgehalten. Ergebniskriterien machen die Fortschritte des Projektes sichtbar, damit die kleinen Schritte für alle Mitarbeiter spürbar werden. Herausforderung: Zusammenstellung des Projektteams. Zum einen gehören Führungskräfte und Mitarbeiter in das Team, die mehr Chancen als Bedrohung in der Veränderung sehen. Zum anderen sollte auch der persönliche Einfluss von Führungskräften und Mitarbeitern auf andere berücksichtigt werden. Für Mitarbeiter, die die Veränderung eher kritisch betrachten, bedarf es einer Strategie, das Bedrohungspotenzial zu kompensieren – insbesondere, wenn sie einen starken Einfluss auf andere Mitarbeiter nehmen

6. Konsequente Umsetzung – Agiliät mit Konsequenz auch auf Führungsebene

Erfolgreiche Umsetzung ist auch eine Frage der Führungskultur und der Konsequenz auf Unternehmer- und Führungsebene. Im Sinne einer Kommunikationskaskade sollte das Projekt auf der Projekt- als auch auf der Führungsebene regelmäßig reflektiert werden, das Führungsverhalten hinterfragt und die einheitliche Sprachregelung sichergestellt werden. Wichtig – die Schulung der Führungskräfte. Die Ja-ich-will-Botschaft konsequent und kontinuierlich sichtbar und glaubwürdig vorleben. Die Führungskräfte sollen gezielt Videokonferenz-Systeme für Team-Meetings, Einzelgespräche und Kunden-Meetings nutzen. Dem Projektteam sollte es ermöglicht werden, selbstorganisiert zu arbeiten, die Mitarbeiter dazu befähigt und somit Vertrauen in diese gelegt werden. Der Projektfortschritt anhand definierter Ergebniskriterien regelmäßig gemessen, Erfolge zeitnah kommuniziert werden – nicht nur in den betroffenen Abteilungen, sondern unternehmensweit. Nicht nur den Fokus auf das Projekt, vielleicht sogar als Leuchtturm-Projekt, richten, sondern neben der Vertriebskultur auch die Unternehmenskultur verändern.

Die Auswirkung der derzeitigen Krise bietet eine Chance, Verhaltensweisen zu verändern mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Nach der Krise zurück in den „normalen“ Zustand scheint nicht überall möglich zu sein. Nicht, weil die Kunden es nicht wollen, sondern eher, weil die Anbieter ihre teilweise tief verankerten Gewohnheiten, nicht verändern (können). Dringlichkeit zu erzeugen und kommunizieren stellt die Basis für alle Veränderungen dar, die Schaffung eines Problemkonsens vor einem Lösungskonsens auf allen Ebenen eine notwendige Voraussetzung. Zielbilder und Ziele bewegen, das Erreichen einer Win-win-Situation zwischen Unternehmen und Mitarbeitern motiviert. Die Auswahl der Mitglieder des Projektteams und die Projekterstellung ist ein Schlüssel für den Umsetzungserfolg, die konsequente Umsetzung auch auf Führungsebene die Basis für die Nachhaltigkeit.

Eine Krise allein ist oft nicht ausreichend für Veränderungen, es bedarf eines systematischen Vorgehens. Eine Krise bietet Chancen für notwendige Veränderungen. Eine Dringlichkeit ist gegeben – was Sie daraus machen, liegt an Ihnen.

Viel Erfolg!

Herzlichst,
Ihr Thomas Kaleja

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